Friedemann Bach by Albert Emil Brachvogel
Autor:Albert Emil Brachvogel
Die sprache: eng
Format: mobi
Tags: Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2009-11-26T21:00:00+00:00
Kapitel XV
Während Heinrich von Brühl seinen immer umfangreicheren und dornenvolleren Amtsgeschäften nachging, weiterhin seine Intrigen spann, weiterhin Geld für den König und sich selbst scheffelte, weiterhin von seinen Freunden nicht geliebt und von seinen Feinden und Widersachern gehaßt wurde, lag die Ministerin schwerkrank darnieder. Sie mochte nicht leben und konnte nicht sterben. Aber in ihren fieberfreien Stunden, wenn die wirren Träume, die wieder und wieder um Friedemann Bach kreisten, sie verlassen hatten, rollte sie ihr ganzes Leben schonungslos vor sich auf. Das wehleidige Selbstbedauern, das sie anfangs empfand, hielt nicht lange vor; Ekel und Reue stellten sich ein, und in einer tiefen Erschütterung ihres Inneren wurden alle guten Kräfte geweckt, die in ihr schliefen.
Ihr vertrautester Freund wurde Doktor Skrop, Arzt für ihren Körper und ihre Seele zugleich. Er reichte ihr ein Heilmittel, das sie nie besessen, ja nie gekannt hatte: die Religion. Langsam genas sie. Von nun an trug sie sich in dunklen Farben. Blaß und ernst trat sie wieder in die Welt, die ihr fremd geworden war, in der man sie fortan nur die »verheiratete Nonne« nannte. Unberührt ertrug sie das Gespött der Leute; in ihr lebte eine wahre, inbrünstige Frömmigkeit, ein liebendes Erbarmen für die Leiden ihrer Mitmenschen, eine gefestigte Entsagung. Sogar ihrem Gatten hatte sie verziehen und duldete es, daß er als Beweis seines glücklichen Ehelebens sie öffentlich mit seiner Galanterie umheuchelte. Ihre schon ziemlich zahlreiche Familie vermehrte sich fast jedes Jahr; Brühl hatte ihr mit dem Skandal einer Scheidung und einer Konkubine gedroht.
Namenlos litt die Frau und wurde in ihrem Schmerz edler und schöner. Was aber am meisten an ihrem Herzen nagte, war Friedemanns Schicksal, den sie immer noch auf der Festung wähnte. Da sie jedoch bei Hof nicht wagen durfte, um seine Freilassung zu bitten, wandte sie sich mit dem Ersuchen an die Königin, ihr jeden Karfreitag einen Sträfling des Königsteins freizugeben. Der Monarch lächelte still und gewährte es. -- Ihr anderer großer Schmerz war die Sehnsucht nach der ihr entrissenen Tochter. Auf den Knien hatte sie Brühl angefleht: »Sagen Sie mir, wo mein Kind ist!«, aber nur die abweisende Antwort erhalten: »Sie werden es wiedersehen, wenn ich es verheiratet habe.« Auch eine Bitte an den König wurde mit dem Hinweis auf die Billigung der Maßnahmen Brühls abgelehnt, -- und hinzugefügt, man möge ihn damit nicht weiter belästigen. Fortan suchte und fand sie ihr Glück in einsamen Studien, im Umgang mit ihren anderen Kindern, in ihrem Wirken im Dienste der Wohlfahrt. Der Politik hatte sie endgültig entsagt.
Um so stärker war der Minister dem Zeitgeschehen verhaftet. Er hatte seit jenem denkwürdigen Tag, an dem Friedrich II. in Dresden erschienen war und Fräulein von Klings energische kleine Hand ihm die Pistole auf die Brust gesetzt hatte, sich mit äußerster Vorsicht an allen Verwicklungen, die gefährlich werden konnten, vorbeilaboriert. Allerdings hatte er, da die Kling trotz aller ihr erwiesenen Artigkeiten nicht mit sich spaßen ließ, mit Österreich einen Bündnisvertrag geschlossen, in dem in einem geheimen Artikel gegen bares Geld und Aussicht auf Schlesien Sachsens Ansprüche an das österreichische Erbe verkauft wurden.
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